Berater arbeiten mit Fakten. Und im Strafprozess zählt die Lage, wie sie ist – nicht, wie man sie sich wünscht.
Deshalb ist die Darstellung der Ausgangslage für den Mandanten von entscheidender Bedeutung
Die Staatsanwaltschaft hat eine Anklageschrift verfasst. Das bedeutet: Die Behörde geht davon aus, dass es genügend Beweise für eine Verurteilung gibt.
Der Richter wiederum eröffnet das Hauptverfahren nur, wenn der Angeschuldigte einer Straftat „hinreichend verdächtig“ erscheint (§ 203 StPO). Das Gericht soll zwar neutral sein – aber: Wird die Anklage zugelassen, hält auch das Gericht diesen Verdacht für plausibel.
Ein Blick auf die Realität
Die Zahlen sprechen für sich. Laut einer Pressemitteilung vom 27.01.2025 des Bayerischen Landesamt für Statistik wurden im Jahr 2023 insgesamt 134.789 Strafverfahren vor bayerischen Gerichten abgeschlossen.
In 113.765 Verfahren kam es zu einer Verurteilung. Die Gerichte entscheiden also in ca. 84,4 % der Verfahren für eine Verurteilung. In insgesamt 13,8 % kam es zu einer Einstellung. Viele dieser Einstellungen hätten auch vor Anklageerhebung erreicht werden können. Nur 2.436 Angeklagte wurden freigesprochen – das entspricht 1,8 % aller Fälle.
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik – Pressemitteilung 020/2025
Hoffnung ist keine Strategie
Mit diesen Zahlen im Hinterkopf ergibt sich ein klares Ziel für die Verteidigung:
Selbst wenn ein Freispruch angestrebt wird, müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Strafe zu reduzieren.
Wer mit einer Verurteilung rechnen muss, sollte wissen: Zwischen einer vernichtenden Niederlage und einer spürbaren, aber verkraftbaren Strafe liegt ein weiter Spielraum.
Die entscheidende Frage lautet also: Was kann im schlimmsten Fall passieren – und wie lässt sich das beeinflussen?
Aus einer Verfahrensnummer wird ein Mensch
Für den Staat sind Angeklagte zunächst eine Verfahrensnummer.
In der Hauptverhandlung geht es darum, wieder den Menschen sichtbar zu machen. Mit seiner Biografie, seinen Brüchen – aber auch mit seinem Potenzial.
Der Angeklagte ist nicht das Monster, als das ihn andere vielleicht sehen wollen. Straftaten sind Ausdruck menschlichen Verhaltens – nicht das Ende von Menschlichkeit.
Die Motive sind unterschiedlich: Wut, Angst, Abhängigkeit, Schwäche, Verzweiflung. Aber fast immer gibt es auch Entwicklungsmöglichkeiten:
Aussöhnung mit Geschädigten
Besserer Umgang mit Drogen oder Alkohol
Mehr Verantwortungsbewusstsein im Straßenverkehr
Reue, Einsicht, Veränderungswille
Die Gesellschaft schreit nach „Law and Order“.
Aber das gerichtliche Strafverfahren hat einen anderen Auftrag: Rechtsfrieden. Die Strafe soll nicht Existenzen vernichten, sondern Wege zurück in die Gesellschaft ermöglichen. Auf der einen Seite steht die Abschreckung und auf der anderen Seite die Resozialisierung.
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